Kondolenzen (28)
Sie können das Kondolenzbuch nutzen, um den Angehörigen Ihr Beileid zu bekunden, Ihrer eigenen Trauer Ausdruck zu verleihen oder um dem Verstorbenen einige letzte Worte des Abschieds mitzugeben.
Kondolenz
Du, ein Jahr kein Gespräch mehr
12.05.2016 um 00:27 Uhr
Liebe Mama,
wie fieselig wenig ist ein Jahr.
In seinem Zusammenhang eine Explosion an Tagen, auf den Punkt gebracht zu früh für einen Jahrestag.
In Menschenlebensjahren gerechnet zu wenig gerechnet, denn zu schnell ist alles vorbei.
Am Morgen des 11. Mai rief Karin mich an, dass du gestorben wärst.
Gestorben.
Was ist da?
In der Reihenfolge der Gedanken:
Es ist besser so.
Wie?
Wirklich tot?
Was muss ich tun?
Was gibt es zu tun?
Kann ich das tun?
Trauer, was ist das?
Schön war, dass Karin und ich am Morgen „des Geschehens“ lange zusammen saßen und du lagst nebenan in deinem Büro – so tot. Aber was ich von dir sah, warst nicht du, denn der Körper, der hat sterben müssen, hat seine eigene Form geschafft. Der Mund spitz, die Augen offen, ohne Blick und richtungslos.
Dann macht sich das ganze Jahr dieses Mama-Vakuum auf. Was mache ich ohne dich, wann denke ich an dich, und wie geht es weiter ohne dich. Als es vor vier Tagen wärmer wurde, war mein Traum von Südfrankreich wieder da, da wollte ich immer hin. Ich dachte, da wäre ein kleines Häuschen, in dem ich und ein Mann, vllt. Kinder, vllt. eine Horde Künstler lebten, und du hattest – DU – in meiner Fantasie da unten die Terrassewohnung mit dem Garten und du liebtest die Wärme, die Blumen, den Garten.
Ich wollte immer dich da haben, wo ich bin. Als Freigeist, als Mutter, als Beschäftigte.
Ich mochte nie den Stress, den du gemacht hast, wenn wir zwei Tage in Frieden waren.
Ich mochte nie die vielen Erwartungshaltungen.
Ich kann nicht sagen: wenn dein Stress und die Erwartungshaltungen nicht wären, wären wir glücklich gewesen. Oder?
Das bleibt zu denken und interessanterweise am eigenen Sohne „abzuschleifen.“
In diesem Sinne.
Ich war nicht am Friedhof gewesen.
Ich habe bei pearl.de eine schöne LED-Solar-Grableuchte bekommen.
Die lädt sich am Tag im Sonnenlicht auf und macht ein Kerzenflackerlicht bei Nacht.
Als ich sie kaufte, war sie das Größte, was sie gab, jetzt ist sie mir – nach einem Jahr – billig.
Wir selbst machen eben einfach alle weiter.
Weißt du, es bleibt uns ja nichts anderes.
Es kommt jeden Tag ein Morgen und auf jeden Morgen kommt ein Tag.
Wir machen da weiter.
Peter hat einen Auftritt in Brighton (ich hätte dir es heute gesagt) und Stefan fährt morgen nach Düsseldorf zum Landtag. Vor der Schule aus. Peter und ich sind in der Schweiz dann, bis zum 23. Mai. Ich spüre, wie es mir leichter fällt, jetzt zu tippen. Ich bin aus der Gefahrenzone „Tod“ heraus.
Aber das Leben ist nicht mehr als eine Konkurrenzpflanzenkulturgemeinde im Urwald. Sprich, du stirbst. Dann ist da jemand, der all das übernimmt, was du gehabt hast – und ein bisschen auch: auch, was du gewesen bist.
Aber wenn du heute fragst: „Wann kommst du wieder“, und ein bisschen der Vorwurf in der Frage zu hören gewesen ist, dann sage ich: „Mama du fehlst mir.“
Lass uns im nächsten Leben wieder zusammen finden.
Wir sind ja *hier* irgendwie nicht fertig geworden.
Deine Elke
Kondolenz
Ich denke an Euch
11.03.2016 um 12:48 Uhr von HeikeLiebe Elke,
man kann so erwachsen sein, wie man will, aber ohne Mutter ist man plötzlich ein Waisenkind. Wir wünschen dir und deiner Familie viel Kraft und Zusammenhalt in der nächsten Zeit.
Liebe Grüße
Heike und Horst
Kondolenz
16. Juli 2015
16.07.2015 um 00:31 UhrLiebe Mama,
manchmal, wenn ich wie heute im Auto in der Gegend herumfahre, dann erreichen mich Gedanken an dich: Rechts rein zur Lotharstraße -- aber, was ist das Abbiegen ohne dich?
Ich sitze in meinem Wagen wie der Geist in meinem Körper gefangen und philosophiere: ob nach dem Tod, nach der Stofflichkeit dieser Körperlichkeit, denn alles anders ist. Und wen, besser als dich, könnte ich fragen? Doch da ist niemand mehr, allen voran du nicht.
Am Friedhof das blühende Leben: Eichhörnchen huschen von Gräbern zu Baum und die Blüten blühen, dass es eine Freude -- wäre es nicht so traurig -- ist. Der Hügel, der sandige, unter welchem du liegst, oder besser: unter welchem das von dir liegt, was noch da ist, aber das, seit du weg bist, auch nur 'da' ist, der beunruhigt mich.
Ich könnte dort sitzen, im stummen Dialog mit dir und mich fragen: was würde sie jetzt sagen? -- Ach, bleib doch ein bisschen, wann kommst du wieder vorbei, wie lange bist du nicht da gewesen.
Jetzt erlebe ich den eigenen Herbst. Das Leben der letzten Tage ist dem Tod gewichen, das eigene geht mit jedem Hahnenschrei, einen Tag zuende. Jetzt folgt die Ära, in der mein eigener Körper mich vor meinen Augen zugrunde richtet. Bis zum Tode.
Was macht man da? - Man tut, als sei nix gewesen? Man funktioniert. Man lädt Freunde ein, man pflegt Hobbys, man fährt im Sommer weg (jetzt wegen des Rückens Camping auf der Isomatte ist nicht mehr so gelegen), man kämmt den Hund und es gibt ein Spiele-Handy.
Im Garten habe ich mir auferlegt, alles 'durchzubringen', was wir im Oktober gemeinsam in Holland gekauft haben. Du hattest ja so eine Neugier auf die Bäume, auf das Säulenobst und den Erdbeerbaum, sogar auf die Alien-Pflanze. Noch an meinem Geburtstag warst du allein im Garten und hast alles angesehen und alles 'besprochen.'
Der Apfelbaum 'trägt' jetzt. Die Früchte sind gut 3 cm rund. Die Birnbäume sind zurück in die Eimer gekommen. Ich hatte den Eindruck, sie waren zu jung für das große Freiland. Sie genießen unter Kontrolle nun ihr Leben.
Mir selbst kommen Zweifel. Das ganze Leben scheint mir absurd. Es hangelt sich von Moment zu Moment, es kann nicht mehr. Doch wir haben uns in einem großen Raumzeitplan unsterblich organisiert. Über den Tod hinaus. Oder wenigstens den Tod nicht einberechnend. Du hattest doch auch so viele Pläne!
(und deine Freunde wollten es von dir wissen!)
Ja, da ist eine Trauer. Wenn ich mit Samira deine Schränke durchforste, wenn wir uns gekaufte und nie getragene Jenas ansehen, wenn wir uns luxuriöse Stoffe ansehen, wenn wir auf 'Omas' Pelzmantel treffen, wenn wir auf Reste von etwas Selbstgestricktem stoßen und wenn wir uns das Bild von dir vor Augen führen, das wir meinen von dir zu haben, jo, dann denke ich oft: Wer ist diese Frau, meine Mutter? Ich finde Patchworks von allem, vornehmlich wohl von Dingen, die dich in bestimmten Situationen inspiriert haben, aber sowohl Inspiration als auch die Dinge selbst sind meist verloren.
Manches gefällt mir. Plötzlich gefallen mir großgeblümte Shirts aus Baumwolle, aber wenn ich sie anzöge, bin ich alt. Weil ich alt bin, gefallen sie mir.
Jetzt ist da eine Leere. Ich schaue zurück auf deine Zeit mit Papa. Als ihr beide im Ruhestand wart und die Reisen gemacht habt. Ich denke: He, Peter wird jetzt auch 60! -- Aber ich sah mich selbst in diesem 'Alter' nie -- bis jetzt nicht.
So sind die Gedanken.
Mensch Mama, ich schaffe es nicht, meine Gedanken zu einem runden Ende zu bringen. Wahrscheinlich wäre es schön zu schreiben: Wenn ich an der Lotharstraße bin, will ich gerne abbiegen. Ich freue mich auf dich.
ABER: Liebe Mama, wenn es dort, wo du bist, eine Funkverbindung zu uns Lebenden gibt, so gib mir bittebitte ZEICHEN UND ZEICHEN.Wenn es dort wo du bist und Papa auch noch gibt, so frag ihn nach den Funkverbindungen -- zwischen eurem Drüben und unserem Hüben.
Ich vermisse euch.
In Liebe,
eure Elke
Kondolenz
Verwunschen
12.06.2015 um 01:19 Uhr12. Juni 2015
Liebe Mama,
eine große Traurigkeit in allem lebe ich.
Die Dinge sind beseelt von der Idee, dass du sie geliebt hast oder verwunschen hast oder sie neu aufstellst, doch ihnen fehlt die Kraft des Erzählens.
Es staut sich, der Atlas der Gefühle memoriert – was ich erlebt habe, aber sobald der Dialog im Monolog endet, greift die Trauer.
MICH.
Samira und ich haben Dienstag deinen Kleiderschrank auf den 'anfänglichen Etagen' leer geräumt.
Wie macht man das, wie wirft man etwas weg, was der Mutter wichtig Aufzuheben war?
Schön wäre, wenn die Besitztümer gleicht sagten, wo sie hin wollten: in den blauen Sack, in den Karton zwischengelagert oder nach vorne in die Vitrine der allsichtbaren Glücksbringer.
'Wiederverwertbarkeit' ist auch so ein Stichwort:
'Samira, wäre das ein Erinnerungsstück an meine Mutter für dich?'
Nein.
Oder ich frage mich: He, da ist doch Papas Lieblingsweste, Größe XXL, Dunkelgrau, und du hast sie aufgehoben, Mama?
Ja sie war mir heilig.
-–> Oh, ich habe Angst, sie wegzuwerfen!
Ich sehe gleich Papa
Damit.
Am Morgen vom Keller hochkommend, nachmittags („Muss schneller gehen!“ – dein Kommentar!) mit Papas Lupen-Auf-Auge Zeitung lesen und vom Rad steigend später-vom-Aldi-immer die graue Weste an.
Ich bin selbst Weste.
Trage auch Weste.
Weiß, um was du aufbewahrst.
Seit drei Tagen spielen wir Alphabetty.
DAS hätte Oma Spaß gemacht.
Fränkischer Hausflur mit drei Buchstaben – Na???
Oder, wie kann man ein 'Qu' verbraten, mit einem Vokal, möglichst schlank?
Scrabble, Oma, das war so eine Sache.
Ich habe 112 Unterhosen, ich sage nur Marke 'Liebestöter -- du verzeihst, bei dir gefunden.
PHÖNIX-Taschen.
Kreuzfahrerrelikte.
Nachlassen?
Doch, es ist schön.
Ich heule und mache mir gerne eben diese Gedanken.
Ja, dann lebst du weiter und ich möchte teilhaben am Weiterleben.
Grüße ins Jenseits.
An der Eckgrenze,
Ich habe dich lieb.
deine Elke
Kondolenz
Zimmer 2 B O 12
27.05.2015 um 00:30 Uhr
Ein Abendspaziergang
Wer weiß schon, was möglich ist im Laufe der Zeiten.
Man wird zur Lawine oder versickert im Gras.
Ich entlaufe den Türen des Krankenhauses am Abend, als die Patienten bereits in den Betten liegen oder sterben oder fernsehen. Lange werde ich nicht mehr draußen sein – die Dunkelheit breitet sich aus. Gepflasterte Wegstreifen, anliegende flache Wiesen. Mitte November schimmern sie noch grün.
Der Herbst ist diesmal besonders farbenfreudig und langatmig.
Kurzstämmige Bäume trotzen Wind und Wetter. Schon sehe ich rechts einen kleinen ebenerdigen Park mit einer Bank und Sträuchern wie Besen aus Reisern, kaum zu glauben, dass sie sich wieder begrünen und blühen werden, wenn ihre Zeit gekommen ist!
ICH dazwischenohne Ziel- einfach unterwegs- weiß nicht, was noch auf mich zukommt.
Ich sehe Steinbrocken liegen, massenweise, von Lastern ausgeschüttet um die Gebäude zu sichern vor dem Eindringen der Nässe. So, wie sie da liegen, sagen sie mir nichts.
Ich will einen aussuchen und mitnehmen – besondere Steine interessieren mich.
Seltsame Steine liegen dort versammelt. Von wo sind sie nach hier gekommen? Es muss für manche eine lange Reise gewesen sein. Man könnte es wissen, wenn man es wissen könnte! Kleine liegen dort und Große obenauf und darunter die Verdeckten. Alle im Dienste der Abgrenzung. Von Krankenstationen. Einander fremd in ihrer Gleichgültigkeit.
Einer von Vielen ist anders - Wehrhaft mit vielen Narben, kalt. Schiebt mich weg. Hier gibt es nichts zu holen. Stimmt. Ich gehe weiter, wenige Schritte nur, ich kehre um.
Hebe ihn auf und nehme ihn mit.
Finde das kindisch – zögere – und lege ihn zurück.
Mit seinen Narben und Furchen und dem klaffendem Maul und den Zeugnissen seiner Brüche und Einschnitte ... ein harter Körper ist das, der das aushalten kann, was ihm geschieht.
Er grinst mich an und ich sehe in seinem Maul eine Wunde, die nicht zu heilen ist – wo man fragen möchte: drohst du mir, wenn ich dich mitnehme und dich überprüfe?
Wie kann das möglich sein?
Natürlich nicht. Wenn er nicht spricht, nichts spürt und ich erst nachschlagen muss in schlauen Büchern, um ihn zu finden (wie lang kann das dauern?)
Zähne wie Backenzähne in seiner Höhle im offenen Maul Das kann ich erkennen. Dazwischen etwas Seltsames, Haftendes, unendlich Zartes, Schwarzes, Dünnes, das sich herausdrängt und nach außen greift über eine winzige Leiter, die herausgeschoben wird, an der man sich herablassen will, um Hilfe zu holen oder nur um zu zeigen, dass man da ist, bereit
falls nötig, zum eiligen Rückzug, schnell wie ein Wisch.
Ich gerate ins Schwärmen: Ein kalter Stein gibt sich interessant!
Jetzt sehe ich hier und dort einen schwarzen Punkt, tatsächlich. Die schwarzen Dinger halten sich daran fest, haben sich dort verankert, können sich bewegen und vielleicht auch winken und lieb sein.
Unsinn. Ist ein Witz.
Wer kann wissen wie das Alles funktioniert!?
Ich sollte jetzt jemanden fragen: Wer kann Auskunft geben? Vielleicht ein Geologe? Aber wer es auch könnte, er liegt jetzt nicht weit von mir hier im Bett, ist vielleicht frisch operiert, hat also keine Chance oder keine Lust sich mit klitzekleinen Phänomenen zu beschäftigen, die in einem von Wind und Wetter blankgescheuerten Urweltstein irgendwie untergekommen sind
und nun aufgehängt existieren. Da möchte man (ICH) wissen was das für Untermieter sind, ob sie was fressen oder aufsaugen, und wenn sie überhaupt etwas brauchen für ihren Lebensunterhalt - oder -
nur Rückstände sind von irgendeinem exotischen Gras das dort hängengeblieben ist und
Kasperletheater spielt?
So habe ich ihn schließlich mitgenommen, den Stein mit seinem geheimnisvollen
Image, im Koffer nach Hause getragen und mit der Zahnbürste ausgespült und dabei, ungewollt, die Winzlinge vernichtet. Ich sehe ihn täglich, wie er auf dem kostbaren Untersetzer thront, den mir gute Freunde vor Jahren einmal aus dem Urlaub mitgebracht haben, zu Zeiten, als Gastgeschenke noch üblich waren. Bis jetzt ist den kleinen graziösen Kletterern nichts nachgewachsen. Ich erkenne nur noch einen kleinen schwarzen Punkt. Es gibt nichts neues mehr zu erfahreneingroßerFehlerdenichbereue. Es gibt nichts Neues mehr zu erfahren.
Schade, sie machten den Stein so lebendig.
.
Der Fundstein mit seinem Ewigkeitswissen im Zustand seiner Brüche - er lebt!
Vor meiner Verabschiedung: Wenn meine Wohnung ausgeräumt wird und jemand auf den Stein stößt, ihn in die Hand nimmt, ihn hässlich findet und aus dem Fenster wirft, mitten in den Garten hinein (wo er auf gute Erde trifft!) - dann könnte er sich wundern, dass er nicht mehr allein ist, weil bald ein zweiter Stein seiner Ordnung gefunden wird: liegend, auf der Wurzel eines blühenden Haselnussbaums, ganz in seiner Nähe.
Wenn der Erste also auch Fortschritte gemacht hat, weil es sich so ergibt, und sich auch der Zweite bewegt oder ihnen die Menschen ganz abhanden kommen – die noch ständig in Bewegung sind, weil die Gestirne über ihnen unruhig werden dann, ja dann,
...
spätestens – schmilzt zuerst das Interesse an dem, was herumliegt. Dann erscheint das müde
Blackout. Dann sucht man nach Wurzeln und Gras. Dann findet man seltsame Steine. Dann erwacht das Interesse am Finden.
Ganz in der Nähe oder vielleicht schon angereist vor Ort!
Wunder geschehen immer wieder - Erde ist der Baustein unseres Lebens.
(HJB)